Homeoffice = Produktivitätskiller? Diese Annahme hält sich hartnäckig. Während einige Unternehmen die Rückkehr ins Büro forcieren und die Effektivität von Remote-Arbeit infrage stellen, wird es Zeit, einen nüchternen Blick auf die Zahlen zu werfen.

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In Deutschland haben heute 80 % der Büroangestellten die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Dass es daheim die ein oder andere Ablenkungsquelle gibt, ist kein Geheimnis, aber leisten die Menschen im Homeoffice daher automatisch weniger?
Das Gerücht hält sich hartnäckig und einige Unternehmen haben sogar damit begonnen, die Freiheiten im Homeoffice einzuschränken. Zu Recht? In diesem Artikel werden wir versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen.
Studie 1: PwC-Befragung beurteilt Produktivität im Homeoffice positiv
PwC, eine der größten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in Deutschland, hat bereits zum dritten Mal im Rahmen der Studie mit dem Title „Home sweet Homeoffice“ Arbeitgeber und -nehmer in verschiedenen Branchen zu ihrer Meinung rund um das Thema Homeoffice befragt.
Das Ergebnis: ein Großteil der Befragten beurteilt die Arbeit im Homeoffice im Vergleich zum Büro unverändert produktiv oder schätzt die Leistung sogar als produktiver ein.
Die Studie nennt aber auch Gründe für teilweise eine geringere Qualität. Zu den größten Herausforderungen zählen demnach die Ablenkung in der häuslichen Umgebung sowie häusliche oder familiäre Pflichten.
Studienumfang | 125 Arbeitgeber & 600 Arbeitnehmer |
Land | Deutschland |
Branche | Industrie, Handel, Dienstleistungen, öffentlicher Sektor |
Erscheinung: | August 2023 |
Studien-Art: | Befragung |
Quelle: | PwC-Studie |
Ergebnis:
- 94 % der Arbeitgeber gaben an, dass die Produktivität der Mitarbeiter im Homeoffice mindestens genauso hoch oder höher als im Büro ist
- Auch 73 % der Arbeitnehmer sehen keine Veränderung der Produktivität bzw. eine verbesserte Leistungssteigerung im Vergleich

Studie 2: Produktivitäts-Einbußen von bis zu 19 % bei indischen IT-Experten
Während die PwC-Studie ein positives Fazit ziehen konnte, kommt eine weitere Studie zu einem anderen Schluss. Man untersuchte hochqualifizierte IT-Experten aus Indien, die vollständig in das Homeoffice wechselten.
Zwar zeigten die untersuchten Personen im Homeoffice gleiches oder leicht geringfügiges Leistungsniveau, jedoch nahmen die Arbeitszeiten zu. Somit sank die Produktivität pro Stunde deutlich.
Die Hauptgründe dafür sahen die Forscher bei der Zunahme von Meetings, einer Verringerung der Fokus-Zeiten, weniger direkte Interaktionen mit Vorgesetzten und Kollegen sowie einer erschwerten Kommunikation allgemein.
Studienumfang | Daten von 10.000 hochqualifizierten IT-Fachangestellten |
Land | Indien |
Branche | IT |
Erscheinung: | Januar 2023 |
Studien-Art: | Datenanalyse |
Quelle: | Journal of Political Economy Microeconomics |
Ergebnis:
- Die Produktivität pro Stunde nahm bei den untersuchten Personen um 8-19 % ab
Studie 3: ifo-Befragung: Großteil der Unternehmen sehen gleichwertige Produktivität
Die Forschungseinrichtung ifo Institut hat im Rahmen einer Studie 9.000 deutsche Unternehmen gefragt, wie sich die Produktivität ändern würde, wenn im Homeoffice Beschäftigte wieder vollständig vor Ort arbeiten würden.
Auch diese Untersuchung zieht ein positives Resümee: die Mehrheit der Unternehmen ist der Meinung, dass die Produktivität der Mitarbeiter in dem Fall unverändert bleiben würde.
„Die mehrheitlich positiven Erfahrungen mit der Produktivität sind ein wichtiger Grund, warum sich das Homeoffice in vielen deutschen Unternehmen etabliert hat.“
ifo-Forscher Mathias Dolls
Flexiblere Arbeitszeitgestaltung im Homeoffice, eine reduzierte Ablenkung, gesteigerte Jobzufriedenheit sowie eine verbesserte Work-Life-Balance wurden dabei als Positiv-Faktoren genannt.
Studienumfang | 9.000 Unternehmen |
Land | Deutschland |
Branche | Verarbeitendes Gewerbe, Dienstleistungen, Großhandel, Einzelhandel, Bauhauptgewerbe |
Erscheinung: | Oktober 2023 |
Studien-Art: | Befragung |
Quelle: | ifo Konjunkturumfrage |
Ergebnis:
- 60,1 % der Unternehmen würden kein Zuwachs an Produktivität erwarten, sollte die im Homeoffice Beschäftigten vollständig vor Ort arbeiten
Studie 4: Amerikanische Call-Center-Studie sieht Leistungsrückgänge
Die Federal Reserve Bank of New York untersuchte das Leistungsniveau der Mitarbeiter eines US-amerikanischen Call-Centers vor und während der Corona-Pandemie.
Als die Callcenter aufgrund von COVID-19 schlossen, sank die Produktivität der ehemaligen Büroangestellten im Vergleich zu den bereits im Homeoffice Beschäftigten um 4 %.
Studienumfang | 1.965 Mitarbeiter |
Land | USA |
Branche | Call-Center |
Erscheinung: | Juni 2023 |
Studien-Art: | Datenanalyse |
Quelle: | Federal Reserve Bank of New York |
Ergebnis:
- Qualität und Quantität der Arbeit sank
- Besonders negativ wirkte sich die Situation auf unerfahrene Mitarbeiter aus
Fazit: Homeoffice vs. Büro – Wo sind wir produktiver?
Während einige Studien eine messbare Minderung der Leistung feststellen, zeigen andere sogar eine Steigerung der Zufriedenheit und Effizienz der Mitarbeiter.
Ob Homeoffice nun Fluch oder Segen für die Produktivität ist, lässt sich also nicht pauschal beantworten. Die konkreten Auswirkungen des Homeoffice sind individuell und hängen von Faktoren wie der Art der Tätigkeit, der Persönlichkeit und der Teamkultur ab.
Feststeht allerdings, das Homeoffice hat sich Deutschland fest verankert und wird wohl auch nicht so schnell verschwinden.
Der Trend geht jedoch in Richtung hybrides Arbeitsmodell – eine flexiblere Arbeitsgestaltung, die Homeoffice-Tage mit Präsenz im Büro kombiniert. So können die Vorteile beider Systeme genutzt werden.
Führungskräfte spielen dabei eine wichtige Rolle in der Einführung und Unterstützung von Homeoffice. Sie müssen die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigen und gleichzeitig die Teamarbeit und Kommunikation fördern.